Debatte: Kein Geld mehr für den ländlichen Raum Ostdeutschlands?

Zu Jahresende 2018 warnte das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einer neuen Studie “vor zu hohen Investitionen in den ländlichen Raum” Ostdeutschlands. Laut IWH-Präsident Reint Gropp können nicht die ländlichen Gebiete den Osten voranbringen, sondern die Städte, wie er gegenüber dem MDR betonte: “Aus wirtschaftlicher Sicht haben wir keine Wahl, als das Geld eben nicht in die Lausitz, sondern in Städte wie Dresden oder Leipzig zu stecken.” Die Reaktionen darauf vielen überwiegend negativ aus – ländliche Regionen aufzugeben, könne nicht die Antwort sein.

Tatsächlich entpuppt sich die Forderung bei näherer Betrachtung als wenig haltbar. Für ein Bundesland wie Sachsen-Anhalt würde dies beispielsweise bedeuten, dass staatliche Investitionen nur mehr nach Magdeburg, Halle und vielleicht noch nach Dessau-Roßlau fließen würden. Dort lebten im Jahr 2018 zusammen rund 560.000 Menschen, ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Welche Zukunftsperspektiven würden für die restlichen 75 Prozent dann noch übrig bleiben? Aus heutiger Sicht keine allzu erfreulichen.

Ein Blick auf die regionalisierte Bevölkerungsprognose für Sachsen-Anhalt verdeutlicht die enormen Herausforderungen, die auf die Landespolitik zukommen werden. Bis ins Jahr 2030 werden lediglich die beiden Großstädte Magdeburg und Halle (zwischen 2,6 und 3,8 Prozent) wachsen, während die ländlichen Landkreise Bevölkerungsverluste in zweistelliger Höhe hinnehmen müssen (zwischen 12,4 und 19,1 Prozent). Insgesamt wird das deutsche Bundesland bis 2030 dadurch um 11 Prozentpunkte schrumpfen. Hier sind gute Lösungsansätze gefragt, vor allem bei Fragen der Versorgung und Infrastruktur.

Die IWH-Studie sorgte auch in Brandenburg für Diskussion. Reint Gropp meinte auch im Gespräch mit der Märkischen Oderzeitung, dass zu viel Geld in teure Arbeitsplätze in ländliche Regionen fließe und nannte dabei die Uckermark als Beispiel. Auf die Nachfrage, wie man solchen Regionen sonst helfen könnte, antwortete der Ökonom: “Ich glaube, dass wir uns am Ende aus Effizienzgründen – also, wo ist ein Euro am besten angelegt – nicht auf solche Gegenden konzentrieren können.” Anders ausgedrückt, sollen periphere Regionen wie die Uckermark von jeglicher Entwicklungsmöglichkeit abgekoppelt werden. Bereits jetzt hat die Region mit hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderung zu kämpfen. Große Industriebetriebe wie beispielsweise jene in Schwedt sind daher auch das wirtschaftliche Rückgrat und sichern zahlreiche weitere Arbeitsplätze in klein- und mittelständischen Unternehmen.

Die gesamte Diskussion führt letztendlich zur Frage, wie gleichwertige Lebensverhältnisse in Land und Stadt bzw. in Ost und West sichergestellt werden können. Für die deutsche Bundesregierung ist dies ein erklärtes politisches Handlungsziel, wobei sich dabei verengende finanzielle Spielräume als die größte Herausforderung entpuppen. Die Antwort des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle wäre demnach, die Ostförderung auf große Städte zu konzentrieren. Wer woanders lebt, hat einfach Pech gehabt. Der deutsche Journalist Kai Gauselmann nannte dies in prägnanter Art und Weise einen ausformulierten Matthäus-Effekt: “Wer hat, dem wird gegeben – wer aber nicht hat, dem wird auch noch das genommen, was er hat.”

Text: Alexander Neunherz
Bild: Privat